Augenblicke der Wahrheit: Der Name der Rose

Der Name der Rose von Umberto Eco ist ein faszinierendes Buch. So faszinierend, dass ich nach einem Zitat für den Augenblick aus diesem Buch nun sogar meine eigentlich abgeschlossene Reihe Augenblicke der Wahrheit mit einem weiteren Zitat fortführe.

Wahrheit. Was ist Wahrheit?

Ein paar Gedanken dazu:

Ein Gespräch zwischen dem Fransikanerpater William von Baskerville und seinem Schüler Adson:

“Demnach habt Ihr nicht eine einzige Antwort auf alle Fragen?”
“Lieber Adson, wenn ich eine hätte, würde ich in Paris Theologie lehren.”
“Und in Paris haben sie immer die richtige Antwort?”
“Nie”, sagte er fröhlich, “aber sie glauben sehr fest an ihre Irrtümer.”
“Und Ihr”, bohrte ich weiter mit kindischer Impertinenz, “Ihr begeht nie Irrtümer?”
“Oft”, strahlte er mich an, “aber statt immer nur ein und denselben zu konzipieren, stelle ich mir lieber viele vor und werde so der Sklave von keinem.”
Ich hatte allmählich den Eindruck, daß William überhaupt nicht ernsthaft an der Wahrheit interessiert war, die bekanntlich nichts anderes ist als die Adaequatio zwischen den Dingen und dem Intellekt. Statt dessen amüsierte er sich damit, so viele Wahrheiten wie möglich zu ersinnen!“

Ein postmoderner Denker im ”vormodernen“ Mittelalter?
Oh ja, ich lese gerade bei Wikipedia, dass Ecos Romane als ”die postmodernen Romane schlechthin“ bezeichnet werden…

Weitere Augenblicke der Wahrheit:
Katholische Kirche
Jesus und Pilatus
Griechisches Denken
Hebräisches Denken
Mittelalter
Anselm Grün
Friedrich Nietzsche
Kester Brewin
Jesus Christus
weiteres
Wahrheit als Brausetablette

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Kurosawas RAN und die Theodizee-Frage

Gestern sah ich RAN von Akira Kurosawa. Kurosawa übertrug Shakespeares King Lear ins Japan des 16. Jahrhunderts. Ein großer Film über Macht, Hass, Rache, Verantwortung und Schuld. Das ganze umgesetzt mit intensiven Bildern, Dialogen und Charakteren.
Ich mag (ost-)asiatische Filme. Sie sind oft so intensiv erzählt, wie man es im Westen kaum findet. Letzte Woche sah ich im Trauma-Kino “Hwal – Der Bogen”, der fast ohne Worte eine krasse Geschichte erzählte. Und heute will ich im Traum “Invisible Waves” schauen, mal sehen…
Aber zurück zu RAN (was “Chaos” bedeutet): Dort stellt nach 146 Minuten der “Hofnarr” die Theodizee-Frage (aus buddhistischer Sicht) und der “Berater” des Fürsten gibt eine gute Antwort:

Kyoami: “Gibt es denn keine Götter mehr? Keinen Buddah?
Wenn es euch noch gibt, dann lasst euch sagen, dass ihr bösartig und grausam seid! Ist es euch da oben so langweilig, dass ich euch daran ergötzt, uns wie Würmer zu zertreten? Seid ihr glücklich, wenn ihr so viele Menschen hier unten nur noch weinen seht?”

Tango: “Genug. Lästere unsere Götter nicht. Die Götter sind es die weinen, wenn sie mit ansehen müssen, wie wir Menschen uns gegenseitig umbringen immer und immer wieder seit Anbeginn der Zeit. Sie können uns nicht vor uns selbst bewahren.
Weine nicht! So ist nun mal die Welt: Die Menschen ziehen das Leid der Freude vor. Sie leiden lieber als in Frieden zu leben.”

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Zitat für den Augenblick 021

Vor dem letzten Einschlafen blieben meine Gedanken bei einem Satz aus meiner aktuellen großartigen Gute-Nacht-Lektüre Der Name der Rose von Umberto Eco hängen:

Man kann das Gottesvolk nicht verändern, wenn man die Ausgeschlossenen nicht wieder integriert.

Ja, wen haben wir ausgeschlossen? Wen schliessen wir aus?
Sind unsere Gemeinden ein Zuhause für die am Rande Stehenden, die Ausgeschlossenen, die “Sünder”?
Oder sind es Versammlungen der Frommen, der Guten, der Insider, in denen für alle, die nicht ins fromme Schema passen nur wenig Platz ist?

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Zitat für den Augenblick 020

Ich sitze gerade (zum zweiten Mal bisher) in einem ICE. Ich freue mich über die ausklappbaren Tische in MacBook-Größe (die könnten nur etwas niedriger sein) und habe eben ein Interview mit dem Bundespräsidenten Horst Köhler in “mobil” gelesen. Das Thema war Klimaschutz.
Hier seine letzten Sätze im Interview:

Klimaschutz bedeutet nicht notwendigerweise Verzicht. Im Gegenteil: Wir werden in Zukunft auf viel mehr Wohlstand verzichten müssen, wenn wir nicht in Klimaschutz investieren. Und ist es wirklich Verzicht, wenn ich energiesparende Elektrogeräte oder ein sparsames Auto kaufe, mein Haus stärker dämme oder Stand-by-Schaltungen vermeide? Am Ende werde ich doch durch niedrige Energiekosten belohnt. Ich bin überzeugt: Klimaschutz ist ohne Einbußen an Lebensqualität machbar.

(Quelle: mobil 05|07, S. 74)

Ja, das sind keine neuen Erkenntnisse. Aber es ist so. Es ist gut, wenn unser Präsident ein positives Bild von Klimaschutz vermittelt. Klimaschutz bzw. Umweltschutz ist etwas Gutes, keine lästige Pflicht, die uns jetzt auch noch aufgedrückt wird.

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Nietsche über Jesus oder die Erfüllung einer Prophezeiung

Heute beschäftigten wir uns in einem Seminar mit Friedrich Nietzsche (ich habe diesen Text gestern, also am Donnerstag, geschrieben). Nachdem wir einen Text aus „Der Antichrist“ gelesen hatten und ich mich dazu fasziniert geäußert hatte, machte Sammy eine Prophezeiung: „Morgen wird etwas über/aus diesem Text auf Daniels Blog stehen. Er wird schreiben, dass der Text faszinierend ist.“
Ich sage mal: Diese Prophezeiung ist hiermit erfüllt (ist das jetzt der unwiderlegbare Beweis einer prophetischen Gabe und damit auch ein Gottesbeweis?).

Also, wir lasen den faszinierenden 32. Aphorismus aus „Der Antichrist“, darin schriebt Nietzsche über Jesus Christus.
Vor allem folgende Sätze finde ich sehr stark:

Ein solcher Glaube zürnt nicht, tadelt nicht, wehrt sich nicht: er bringt nicht „das Schwert“, – er ahnt gar nicht, in wiefern er einmal trennen könnte. Er beweist sich nicht, weder durch Wunder, noch durch Lohn und Verheissung, noch gar „durch die Schrift“: er selbst ist jeden Augenblick sein Wunder, sein Lohn, sein Beweis, sein „Reich Gottes“. Dieser Glaube formulirt sich auch nicht – er lebt, er wehrt sich gegen Formeln. Freilich bestimmt der Zufall der Umgebung, der Sprache, der Vorbildung einen gewissen Kreis von Begriffen: das erste Christenthum handhabt nur jüdischsemitische Begriffe…

Auch der Rest fasziniert und regt spannende Gedanken an (lest hier weiter). Ich glaube es ist gut, sich von Nietzsches Gedanken hinterfragen zu lassen…

Schuld und Sühne

Schuld und Sühne, ein Roman über ein Verbrechen, über Armut, über Russland, über Menschen, über das Leben.

Schuld und Sühne, ein Roman, der schon viele begeistert und sogar Tobys Leben verändert hat.

Schuld und Sühne, ein Roman, den ich gestern zu Ende gelesen habe.

Schuld und Sühne, ein Roman, dessen letzten Absatz ich großartig finde.

Bevor ich diesen letzten Absatz zitiere, noch ein anderes Zitat von Dostojewski, was immer noch sehr aktuell ist:

Die vom Festmahl der Menschheit verjagten Millionen drängen und stoßen einander in der unterirdischen Finsternis, in die sie durch ihre höhergestellten Brüder gestürzt sind; tastend pochen sie an irgendwelche Tore, einen Ausweg suchend, um nicht im finsteren Keller zu ersticken.

(Dieses Zitat stammt aus dem Nachwort einer online verfügbaren vollständigen Übersetzung.)

****Spoiler-Warnung****
(wobei nicht zuviel vom Inhalt vor dem letzten Absatz verraten wird)

Und jetzt der letzte Absatz (nach der Übersetzung von Richard Hoffmann):

Doch hier beginnt schon eine neue Geschichte – die Geschichte der allmählichen Erneuerung eines Menschen, die Geschichte seiner allmählichen Wiedergeburt, seines allmählichen Übergangs aus einer Welt in die andere, die Geschichte seiner Bekanntschaft mit einer neuen, ihm bisher völlig unbekannten Wirklichkeit. Das könnte das Thema für einen neue Erzählung sein – doch unsere Erzählung ist hier zu Ende.