Emerging Church: Social Gospel?

Gestern Abend bekam ich eine Mail von Johannes, einem Freund (mit dem ich auch noch verwandt bin), der gerade für einige Monate in den USA ist. Er hat dort mit einigen Leuten über Emerging Church diskutiert, die der emerging conversation eher kritisch gegenüberstehen:

Die Hauptvorbehalte gegenüber EC ist, dass sie die Gefahr hin zu einem „Social Gospel“ sehen, wenn nicht schon jetzt, dann spätestens in der nächsten EC-Generation. Also dass gutes soziales Engagement die Evangeliumsbotschaft von „Jesu stellvertretendem Sühnetod“ (um das mal theologisch auszudrücken – ) ersetzt.

Ich sehe natürlich auch die andere Gefahr eines Evangeliums, das nicht verändert und nicht gelebt wird. Und ich denke, dem entgegenzuwirken ist auch eines der positiven Anliegen, der Emerging Conversation. Aber siehst du auch die oben beschriebene Gefahr?

Soweit ein Ausschnitt aus seiner Mail (ich habe natürlich gefragt, ob ich das hier bloggen darf – man brauhht also keine Angst haben, wenn man mir ne Mail schickt).

Hier meine Antwort auf diese Frage:

Ja, es ist eine Gefahr, dass es in einer zweiten Generation zum „social gospel“ wird.
Aber die letzten Jahrzehnte sah es in vielen (evangelikalen) Gemeinden eher so, dass aus dem dem „ganzheitlichen“ Evangelium ein rein „geistliches“ (bessere Begriffe fallen mir gerade nicht ein) Evangelium wurde, indem das „soziale“ des Evangeliums vergessen wurde. Und das Evangelium hat definitiv eine soziale Dimension (man muss nur mal Jesu erste Predigt laut Lukas lesen (Lukas 4,18 und drumherum)). Der Pietismus z.B. war sich anfangs dieser Dimension sehr bewusst, viele Pietisten setzen sich stark für soziale Gerechtigkeit ein. Ein Blick in ein Kirchengeschichtsbuch oder in die Wikipedia zeigen das: „Auch das soziale Engagement des Pietismus (unter anderem die daraus erwachsenen Diakonissenanstalten und Sozialwerke) hat nachhaltige Veränderungen in Gesellschaft und Politik hervorgerufen. Viele soziale Anstalten (Waisenhäuser, Krankenhäuser), die heute vom Staat geführt werden, sind auf den Pietismus zurückzuführen.“ (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Pietismus). Ich, der ich in solchen Kreisen aufgewachsen bin, habe davon aber recht wenig gesehen und gehört (ich kann mich an keine Predigt erinnern, die das explizit thematisiert hat, du etwa?).

Wie du auch, denke ich da, dass es ein Anliegen der emerging conversation ist, da entgegenzuwirken. Und den „schmalen Pfad“ zu finden, zwischen einem einseitig betonten „social“ oder „spiritual“ gospel.

Dass die Gefahr besteht, dass die eine (aus heutiger konservativer Sicht die negativere – warum eigentlich?) Seite in Zukunft überbetont wird, ist für mich kein Grund, nicht einen Weg zu suchen, wie wir heute beide Seiten betonen und leben(!) können. Dass dabei zurzeit in der emerging conversation die soziale Seite teilweise mehr angesprochen wird, liegt m. E. einfach daran, dass viele in diesem Dialog aus einem Hintergrund kommen, wo diese soziale Dimension die letzten Jahre etwas in Vergessenheit geraten ist.

Eine ähnliche Frage und Angst ist, dass sich die emerging church ganz in der Kultur auflöst und sich in allem „der Welt“ anpasst (- diese Angst vermute ich auch bei den Leuten, mit denen du gesprochen hast). Hierzu habe ich mal in einem Artikel über den Besuch von Jason Clark und Brian McLaren für die Zeitschrift „ichthys“ folgendes geschrieben:

„Immer wieder suchen Christen den schmalen Pfad zwischen Ghetto und Auflösung in der Kultur ihrer Zeit. Für mich ist die gesamte „emerging conversation“ ein Ausdruck dieser Suche, die von vielen Fragen getrieben wird: Wie schaffen wir es, den Glauben so zu leben und kommunizieren, dass es für die Menschen um uns herum (und auch für uns selbst) „relevant“ ist und wir sie „erreichen“, ohne dass wir Jesus Christus als Mittelpunkt verlieren? Wie kann eine Gemeinde heute ihrer Sendung entsprechen? Wie sieht Gottes- und Nächstenliebe in unserer Zeit praktisch aus? Wie kann man als postmodern denkender Mensch, der nicht an absolute Wahrheiten glaubt, an Jesus Christus, der sich selbst als die Wahrheit bezeichnet, glauben? Wie sieht eine Theologie aus, die unseren Kontext beachtet und dabei der Bibel und vor allem dem dreieinigen Gott treu bleibt?“

Ja, ich sehe auch die Gefahren. Aber vielmehr sehe ich diese und weitere Fragen, die wir einfach stellen und beantworten müssen. Und ich lese da in einem für mich heiligen Buch von Sünde und Kreuz aber auch von Armut und Befreiung, ich lese von einem Gott, dem es um mehr als nur das Seelenheil geht, ich lese von einem Mensch, der auch ganz Gott war, der dies gelebt hat: Die Liebe zu Gott und zu den Menschen in allen Dimensionen.

Das meine spontanen Gedanken gestern Nacht.

Was denkst du dazu?


Nachtrag (2008-10-31):

In den Kommentaren findet man schon spannende Meinungen dazu, wobei deine Meinung auch noch spannend wäre!

Dort wird auch auf folgende Blog-Einträge woanders hingewiesen, die zu dem Thema spannend sind:

Vielen Dank für die bisherigen Kommentare und Hinweise! Weiter so!


Nachtrag 2 (2008-10-31):

Während wir hier diskutieren spricht auch die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) in Pattaya über unsere „soziale Verantwortung“ (siehe: idea-Meldung)

Alle Christen müssen

Gestern bekam ich in einem der vielen Sozialen Netzwerke von einer jungen Christin eine Einladung in die Gruppe „Alle Christen des xy-Netzwerks müssen in diese Gruppe„. Ich habe die nett gemeinte Einladung abgelehnt, denn irgendwie mag ich keine Sätze, in denen das Wort „Christen“ zusammen mit dem Wort „müssen“ auftauchen. Mir fallen wirklich keine vernünftigen Sätze ein, die mit „Alle Christen müssen“ beginnen. Dir etwa?

Antwort auf den Kapitalismus?

Wenn inzwischen sogar FDP-Wähler auf ihrem Blog die „10 Desillusionierungen über den Kapitalismus“ (übrigens sehr lesenswert!) zusammenfassen, aus denen vorhin auch Peter zitierte, dann darf man jetzt sicherlich auch mal fragen, wie wir als Christen/Gemeinden auf den Kapitalismus antworten können.

Was meinst du?

Ist es die „Konsum-Kritik“, die in letzter immer wieder thematisiert wird, die ganze Antwort? Oder umfasst es noch mehr? Oder sollten wir das der Wirtschaft, der Politik und vielleicht noch den Medien überlassen?

Geistliche Übungen: Schlaf

John Ortberg im Buch „Das Leben, nach dem du dich sehnst„, es geht um geistliche Übungen:

Vielleicht ist es das Geistlichste, was Sie jetzt gerade machen können, diese Buch aus der Hand zu legen und eine Runde zu schlafen.

Diese Erkenntnis hatte ich vor ein paar Jahren auch mal in einem Christus-Treff-Gottesdienst. Es war nicht so direkt das Thema, aber ich erkannte, dass ich ausgeschlafener sein sollte, um fröhlich durch den Tag zu gehen und anderen Menschen freundlich und liebevoll begegnen zu können.
Also: Vielleicht ist es das Geistlichste, was du jetzt gerade machen könntest, dieses Blog aus dem Browser zu klicken und eine Runde zu schlafen.

Faire Woche

Heute startet die Faire Woche. Es geht um Konsum. Fairen Konsum.

Fair Trade Blog Karneval

Dazu gibt es einen von Karma Konsum initiierten Blogkarneval. Alle Blogger sind dazu eingeladen, über fairen Handel zu schreiben. Ich mache mit, du auch?

Wie aufmerksame Leser wissen, ist Fair Trade ein Thema, dass für mich schon länger wichtig ist. Wobei ich zugeben muss, dass ich da auch noch nicht so konsequent bin…

Viele wichtige Gedanken zu dem Thema und vor allem auch die theologische Grundlage des fairen Handels, könnt ihr in einer Predigt von mir nach hören, die ich letzten Sommer während meines Praktikums hier in Erlangen hielt. Als ich diesen Sommer wieder kam, freute es mich sehr, dass mehrere Leute von sich aus auf mich zukamen und sagten, dass sie seitdem fair gehandelten Orangensaft kaufen.

Von mir gesammelte Links zum Thema findest du auf dem ELIA-Blog und bei del.icio.us.

Mal sehen, ob ich diese Woche noch mehr darüber schreiben werde…

Kurzformel des Evangeliums

Hier eine „Kurzformel des Evangeliums„, die Klaus Teschner so 1984 formuliert hat:

• Wir sind wertvoller, als wir annahmen.

• Wir sind verkehrter, als wir wahrhaben wollen.

• Wir sind geliebter, als wir wissen.

• Gott hat mehr mit uns vor, als wir uns träumen lassen.

Dabei ist wohl die Reihenfolge entscheidend…

Das Zitat passt gut zu der Diskussion bei Toby Faix zum Thema „Bad news – good news oder was ist denn gut an der Guten Nachricht?

Gefunden habe ich das in dem Buch „Aktivgruppen: Jugendliche entfalten Talente und entdecken den Glauben“ von Reinhold Krebs und Burkhard vom Schemm, das Toby übrigens in einer Amazon-Rezension als „Pflichtlektüre Jugendarbeit“ bezeichnet. Dem kann ich nur zustimmen, ich habe bisher ein Drittel gelesen und das Buch schon einigen meiner „Kollegen“ empfohlen, die auch vor kurzem begonnen haben, in einer Gemeinde Jugendarbeit zu machen.