Was ist Emerging Church?

Die Frage „Was ist Emerging Church?“ hat mich schon länger nicht mehr beschäftigt. Inzwischen beschäftigt sie aber sogar Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, was ich zum Anlass nehme, sie hier mal wieder zu stellen.

Den Anfang des Artikels „Die Emerging-Church-Bewegung“ von Anika Rönz kann man auch online lesen. Ich empfehle aber auch die Zusammenfassung von Walter Faerber unter dem Titel: „Emerging Church – weltanschaulich gesehen“.

 

Die Geschichte vom Tanz

Die Vorgeschichte zum Tanz

Letzte Woche im siebten Modul des Studienprogramms Gesellschaftstransformation: Wir hören von unserem Dozenten Volker Brecht einiges zu Kommunikativer Theologie. Und vor allem sollen wir Kommunikative Theologie betreiben. Ich zusammen mit drei Frauen. Ein spannender Prozess. Die Frage die uns beschäftigen soll: »Was ist Gesellschaftstransformation?«.

Wir brauchen lange, um einen gemeinsamen Zugang zu finden. Dann spricht jemand vom einem Tanz. Und plötzlich sprudeln die Ideen. Wir teilen uns auf in zwei Teams, das eine schreibt die Geschichte, das andere die Auslegung dazu. Aber lest selbst:

Die Geschichte vom Tanz

Mit Gesellschaftstransformation ist es wie in dieser Geschichte:

Als ich eines Morgens das Fenster öffne, höre ich Lachen und leise Musik. Ich schaue hinunter auf den Marktplatz. Dort tanzen sie. Seltsam. Und gleichzeitig schön. Es sieht so lebendig aus. Meine Kaffeetasse steht einsam auf dem Tisch. Wann habe ich mich das letzte Mal lebendig gefühlt? Ich ziehe meine Schuhe an. Die Kaffeetasse nehme ich mit. Ich höre die Musik jetzt deutlicher. Außer mir sind noch einige andere gekommen und schauen von Weitem zu.

Plötzlich stoppt die Musik. Oh, schon vorbei? Eine leise Enttäuschung macht sich bemerkbar. Aber die Leute bleiben. Eine Stimme ertönt und erklärt den Grundschritt. Zunächst übt jeder für sich. Die ältere Dame wagt zaghaft und etwas staksig einige Schritte. Der junge Mann hilft ihr geduldig. Beim Näherkommen bin ich erstaunt, wer alles dabei ist. Der Obdachlose von der Parkbank, die Verkäuferin aus dem Supermarkt, sogar mein Hausarzt ist dabei. Weiter vorne üben Studenten und auch Kinder sind dabei. Die Musik geht wieder an, mein Fuß beginnt zu wippen. Heimlich übe ich. Und plötzlich steht sie vor mir: Das Mädchen, welches vorhin die Schrittfolge erklärt hat. Sie lacht mich fröhlich an. „Magste mitmachen?“ Ich zögere. Kann ich das? Und wenn ich mich anstelle wie ein Trottel? Doch dann überwinde ich mich und auf einmal bin ich mittendrin. Jetzt höre ich auch diese wunderschöne glockenhelle Musik und es ist plötzlich so egal, dass ich auf dem Markplatz bin und tanze. Ich spüre Lebendigkeit in mir. Da ist Freude. Ich darf sein. Das ist so heilsam.

Und jetzt bin ich aus dem Takt. Behutsam hilft mir meine junge Lehrerin und zeigt mir noch einmal die Schritte. Ich tanze es nach, wieder und wieder und ich verstehe langsam, worum es hier geht. Sie erzählen auch von ihm, dem Komponisten der Musik.

Beim Weggehen sehe ich noch zwei Tänzer, wie sie tanzen. Sie sind eins in ihrer Bewegung. Zwei Personen und doch eins. Es ist wunderschön. Morgen bin ich wieder dabei!

Die Auslegung des Tanzes

Die Musik zu der Leute auf dem Marktplatz tanzen, ist die Musik des Himmels. Ihr Rhythmus ist Gottes unendliche Liebe zu seiner Welt. Diese Grundlage zeigt sich in der Melodie seines Handelns und seiner Geschichte mit der Welt. Das Ziel dieses Handelns ist die Wiederherstellung der Beziehungen der Menschen in allen Dimensionen: zu sich selbst, zum Nächsten, zur Umwelt und zu Gott. So entsteht ganzheitliches Heil – Schalom.

Die, in denen diese Musik lebt, können nicht anders, als in Bewegung zu kommen, sie fangen an zu tanzen und im Tanz miteinander zu kommunizieren. Der Grundschritt ihres Tanzes ist Liebe zu Gott und zum Nächsten. Gott lädt sie ein in den wiederhergestellten Beziehungen zu leben, an seinem Handeln teilzuhaben und andere mit in diesen Tanz hineinzunehmen. Wer den Grundschritt beherrscht, lernt ihn immer mehr in Freiheit auszuformen. So zeigt sich die Liebe als Gottesdienst und Weltdienst auf vielfältige Weise.

Die Tänzer laden die Umstehenden ein mitzutanzen und werden damit selbst zu Tanzlehrern, die anderen den Grundschritt der doppelten Liebe und die Musik des Himmels erklären und vorleben.

Autoren: Andrea Haase, Damaris Hans, Daniel Hufeisen, Judith Ziegenthaler

PS: Da die diese Geschichte nicht nur von mir allein geschrieben wurde, gilt ausnahmsweise nicht die Creative Commons-Lizenz. Wer diesen Text also in irgendeiner Form nutzen möchte, braucht dazu das Einverständnis aller vier Autoren.

Ein Prediger

Nachdem ich heute morgen gepredigt habe, lese ich jetzt natürlich interessiert einen Artikel, der mit folgenden Sätzen beginnt:

Der wahre Prediger braucht zum Predigen keine Kanzel. Denn er steht auf keinem höheren Standpunkt als seine Gemeinde, er beugt sich aber auch nicht huldvoll herab.

Weiter geht es in diesem Artikel der ZEIT nicht über das Predigen an sich, sondern über einen Prediger, der bald Bundespräsident wird: Joachim Gauck. Das Thema Predigen und auch Theologie allgemein bleibt aber zentral in dem, was Evelyn Finger schreibt.

Interessant sind auch einige dort zitierte Aussagen von Wolfgang Thierse (den ich mir auch als Bundespräsident vorstellen könnte), wie z.B. folgende:

Wir haben in Deutschland die Trennung von Kirche und Staat, aber nicht die Trennung von Religion und Politik – nur deren Unterscheidung. Die beiden Sphären haben sich ausdifferenziert, aber es gibt Zusammenhänge zwischen ihnen, und diese Zusammenhänge werden von den Menschen gelebt.

Wenn ihr also ein paar Minuten Zeit habt, lest den Artikel, der nicht nur für Prediger und Pastoren interessant ist.


Nachtrag (2012-02-27):

Sowohl Titel als auch Untertitel sind natürlich nicht so glücklich gewählt (wurden sicherlich nicht von der Autorin verfasst). Mit einer anderen Überschrift gäbe es sicherlich auch nicht so viele negative Kommentare …

Blogs und Emergent Deutschland

Mike Bischoff weist auf eine spannende Abschluss beim IGW hin: David Staub hat dort zum Thema »The Medium is the Message – Der Einfluss des Mediums Blog auf die Grundwerte von Emergent Deutschland« geschrieben und dafür gerade den Förderpreis des IGW bekommen.

Ausgehend von Marshall McLuhans Aussage »the medium is the message« betrachtet Staub die Auswirkungen des neuen Mediums Blog auf die Theologie. Netterweise macht er dies am Beispiel von Blogs, die Emergent Deutschland zugeordnet werden können. Anhand von nachvollziehbaren Kriterien wählt er sieben Blogs aus, die er genauer betrachtet.(1) Außerdem erarbeitet er die Grundwerte von Emergent Deutschland (wer also wissen möchte, was die Theologie der Emerging Church in Deutschland ist, sollte hier mal nachlesen ;-)). Beides ist spannend zu lesen – natürlich besonders, wenn man selber zu den „untersuchten Objekten“ gehört und meine Geburtstsgrüße an meine Oma plötzlich wissenschaftlich untersucht werden.

Wenn ihr das auch lesen wollt, könnt ihr die Arbeit auf der IGW-Seite runterladen.

Ich denke, dass diese Arbeit eine wichtige Hilfe sein kann, die emerging conversation in Deutschland zu reflektieren und auch zu überlegen, wie dieses „Gespräch“ in Zukunft weitergeführt werden soll. Ich stimme der These zu, dass das Medium Blog einen großen Einfluss auf die emerging conversation hatte und dass es auch die Theologie mitbestimmt hat. David Staub beschreibt aber auch, dass „die Dynamik in der Emergent Deutschland-Community so abgeflacht“ (S. 21) ist, u.a. weil ein Teil der Kommunikation zu Twitter und Facebook gewandert ist (was für theologische Diskussionen weniger ergiebig ist). Da stellt sich die Frage, wie kann diese Dynamik wieder zunehmen und wie können die Grundwerte von Emergent Deutschland weiter gelebt werden?

(1) = Tobias Faix, Daniel Ehniss, Peter Aschoff, Dominik Sikinger, Daniel Hufeisen, Harald Sommerfeld und Storch Schmelzer.- Leider sind keine Frauen in dieser Liste, was aber weniger eine Kritik an Straub als an die „emerging conversation“ ist.

Shusaku Endo und Kontextualisierung

Schon seit langer Zeit möchte ich mal was zu Shusaku Endo schreiben (ungefähr seitdem Martin Scorsese ankündigt, Endos größten Roman „Schweigen“ zu verfilmen). Der 1996 verstorbene japanische Schriftsteller versuchte als Katholik dem christlichen Glauben das europäische Kleid abzunehmen und ihm ein japanisches Gewand zu geben. Dieses Thema taucht in den meisten seiner Bücher in irgendeiner Form auf und macht sie auch Jahrzehnte nach dem Erscheinen noch spannend.

Bisher habe ich Schweigen, Sünde und Der Samurai gelesen, die ich in dieser Reihenfolge auch empfehlen würde. Meine aktuelle Bettlektüre ist der Roman „Der Vulkan“ aus dem Jahr 1960. Dort lässt er einen alten, französischen Ex-Prieter sagen:

„Wer keine Schuld empfindet, der kann nicht an Gott glauben. Und ihr Japaner empfindet doch keine Schuld.“

Ist das so? Kann man nur an Gott glauben, wenn man Schuld empfindet?

Ich denke Endo spielt hier auf ein Problem an, dass uns heute auch in Europa beschäftigt: Das Evangelium wird häufig vor allem in den Kategorien Schuld und Sühne gepredigt. Diese Kategorien sind für viele Menschen aber nicht mehr so zentral wie sie einmal (für viele) waren. Peter geht in seinem Artikel über „Spiral Dynamics“ in ZeitGeist 2 darauf ein, wie Erlösung aus der blauen Sicht vor allem als Tilgung objektiver Schuld gesehen wird. Für Menschen, die nicht diese blaue Sicht haben, muss sie aber anders beschrieben werden (Peters Ansätze dazu).

Vielleicht gehörten die Japaner der 1950er-Jahre, die Endo vor Augen hatte, einfach nicht zu dieser „blauen Spirale“ …

Und mal schauen, ob Endo in dem Buch noch eine Antwort auf die Frage präsentiert, ob Japaner überhaupt glauben können.

Rob Bell im Interview

Rob Bell war letzte Woche in Deutschland. Einige Freunde haben ihn beim Willow Creek Kongreß gesehen und meinten, dass er live auch so ist wie auf den DVDs (sehr empfehlenswert: The Gods Aren’t Angry, Everything Is Spiritual und die Nooma-Serie). Für mich wird es mal wieder auf die DVD schauen hinauslaufen …

Solange ich darauf noch warte, kann ich mir noch ein paar Mal das gute Interview von Pascarl Görtz und Rolf Krüger mit Rob Bell anschauen:

P.S. Den Mars Hill-Podcast mit den Predigten von Rob Bell habt ihr abonniert, oder? Und die Bücher gelesen?