Manche Fragen werden immer wieder gestellt, ohne das zufrieden stellende Antworten gegeben werden. So auch die Frage: Warum lässt Gott Leid zu? bzw. Wie können wir an einen gütigen Gott glauben, wenn es doch soviel Leid gibt?
Um diese Frage ging es auch viel in dem Gespräch mitten in der Nacht in Bremen und diese Frage stellt auch Sina mit drastischen Worten in den Kommentaren zu meinen alten Artikel “Wenn es einen Gott gibt“.
Sina schrieb zuerst folgendes:
so ich finde ihr labert alle riesen scheiße..
wenn ihr wiklich meint dasses gott gibt stell ich euch mal ein paar fragen :1. Wieso gibt es Kinderficker? bzw. wieso um alles in der welt wenn gott hier bei uns ist macht er nix dagegen? die welt konnte er angelich in 7 tagen erschaffen, dann wird sowas ein kinderspiel sein oder??
2.Wieso müssen manche Kinder die reinste Hölle durchmachen? wieso werden sie von ihren eigenen eltern misshandelt oder umgebracht? wie gesagt, wenn es gott gibt- wieso lässt er sowas zu??
Meine erste kurze Antwort darauf:
@sina:
Danke für deinen Kommentar.
Die Fragen, die du stellst, stell ich mir auch. Und kann sie ehrlich gesagt nicht beantworten. Diese Fragen beschäftigen die Menschen schon seit Jahrhunderten (mehr dazu und auch Antwortansätze findest du beim Wikipedia-Theodizee-Artikel).
Ich glaube trotzdem, dass Gott mit uns leidet, dass er bei uns ist. Viele Menschen erleben besonders in ihrem Leid, dass Gott bei ihnen ist und sie tröstet (ich weiß, das beantwortet nicht deine Fragen).
Darauf antwortete Sina wiederum heute:
aber wenn Gott wirklich mit uns leidet.. WIESO macht er nix? ich find, ihr alle habt mal was von gott gehört und denkt euch : alles klar, coole sache .. und wenn so fragen kommen umschreibt ihr die irgendwie und versucht euch für gott zu entschuldigen..
Ich will auf keinen fall euren glauben abstreiten oder versuchen euch davon abzuhalten an gott zu glauben.. aber ich versuch euch nur zu verstehen!! in meinem leben is schon so viel scheiße passiert.. und bei mir war nie jemand da, der mich getröstet hat.. AUCH NICH GOTT.. ich versteh das nich sorry
Was antwortest du auf diese ehrlichen Fragen?
Achti hat was Interessantes dazu geschrieben vor einigen Tagen und da ich nicht weiß, wie man so einen link in einem Kommentar ansehnlich verpackt, schreibe ich ihn mal aus…;-)
http://theo-blogie.blogspot.com/2008/05/gott-und-das-leidige-leid-und-kein.html
Hilft natürlich nicht bei der sehr persönlichen Frage weiter: warum tröstet Gott mich nicht? Aber ist vielleicht ein Ansatz bei der Theodizee Frage…
Ich schliesse mich Sinas Frage an, warum macht er nichts?
Die Standardantworten sind: Nicht Gott ist für diese Scheisse verantwortlich sondern die Menschen. Gott hat die Welt dem Teufel übergeben.
Die Frage bleibt, warum macht er nichts oder warum hat er das oder mein persönliches Leid nicht verhindert.
Auch ich suche (seit ich an Gott glaube) danach. Das sind nun 24 Jahre – und habe immer noch keine Antwort erhalten die etwas hergibt.
schätze, dass dies ein deutlicher hilferuf ist und theodizeegesabbel für sina völlig unangebracht ist.
was wirken würde, wäre dass sich jemand mit ihr trifft. zeit für sie hat. zuhört. da ist. jemand der begriffen hat, was es heisst, dass jesus in ihm lebt.
da es davon leider zu wenige gibt war bisher niemand bei sina, der getröstet hat.
achja, kinderficker werden sich – wie jeder – verantworten müssen. gerechtigkeit kommt. allerdings erst nachher … :-/
@Hufi: Super Thema, das du da aufgemacht hast, bitte mach damit auch weiter, denn die Frage brennt uns allen unter den Nägeln und ich finde es immer so gut, wenn das ganze konkret wird und nicht so theoretisch – theologisch abgekanzelt wird.
@march: Das ist auch meine Empfehlung. Da sie bisher niemand hatte, wäre es jetzt dran, sich Zeit für sie zu nehmen. Das Schlimme, das Gott zulässt (und das tut er!) ist ja nur die eine Seite. Dass wir uns aber so oft drücken davor, Leid mitzutragen und die Menschen zu begleiten, erzeugt mindestens genausoviel Leid.
Und zum Thema Gerechtigkeit: Ich finde es auch einen sehr christlichen Auftrag, schon hier und jetzt für Gerechtigkeit zu kämpfen – mit Liebe, Weisheit, Witz und Ausdauer, so wie Jesus und die Apostel eben auch 🙂
Sina, ich weiß nicht, ob du hier noch mitliest. Ich finde deine Fragen genau richtig, verdammt berechtigt und teile sie mit dir. Danke für deinen Mut und deine Wut, sie zu schreiben. Was du erlebt, mitgemacht, erlitten hast, unter welchen Schmerzen, Rissen, Abgründen du leidest, das weiß ich nicht.
So, wie ich selbst Leid erfahre, ist es eine unendlich einsame Angelegenheit. Da ist brennende, zerreißende, beengende Einsamkeit, die durch kein Wort überbrückt werden kann. Da sind Schreie, für die man keinen Ton und keine Stimme mehr hat. Da sind Schmerzen, die dich in tausend Stücke zerfetzen. Da sind Tränen, die keinen Weg aus dem Tränenkanal finden. Da ist Lähmung, innerer Tod, Lückentexte. Da ist rot schäumende Wut. Und Müdigkeit, unendliche Müdigkeit und noch so viel mehr. Da ist der Treibsand der Verzweiflung auf dem es sich kaum existieren und schon gar nicht leben lässt.
Aber letztlich gibt’s für Schmerz und Leid keine Sprache, keine Worte. Sprache ist, so empfinde ich das, ungeheuer begrenzt und, ja, lächerlich im Angesicht von Leid, weil sie nie und nimmer an das heranreicht, was erlebt, erlitten und erfahren wurde.
Ich frage mich manchmal: Gibt es in so einer Situation überhaupt Trost (von Menschen oder von Gott)? Wie müsste der Trost denn “aussehen” oder spürbar, erlebbar werden, der mich in meiner Situation überhaupt erreicht? Was würde denn mir die Seele berühren? Wünsche ich mir Trost? Und wenn ja, in welcher Form? Darauf gibt es ganz bestimmt keine allgemeinen Antworten. Deine Antwort wird vermutlich anders ausfallen als die meine. Ich wünsche mir zum Beispiel keine Worte. Worte, und wenn sie noch so gut gemeint sind, reichen nicht an meine Seele heran.
Wenn ich an Gott in Zusammenhang mit meinem Schmerz und der Scheiße, die ich erlebt habe, denke, dann wünsche ich mir, dass ihm dieser Schmerz so richtig unter die Haut geht. Dass er nicht der entfernte, über allem schwebende, souveräne Herr ist, sondern einer, der diesen wortlosen Schmerz spürt – und zwar so richtig schmerzhaft an Leib und Seele.
Im Alten Testament steht einmal, dass die Menschen mit ihrem ganzen Sein, ihrem Leben, in Gottes Hände gezeichnet sind. Als ich das las, dachte ich, wenn das tatsächlich stimmt, dann müssen ihm doch eigentlich die Hände brennen, dann müssen sie ihm doch weh tun, dann müssen sie, bei all der Scheiße, die im Verborgenen, aber auch in aller Öffentlichkeit geschieht, dann muss es doch eigentlich Gott die Hände zerreißen, zerbohren und zerfetzen. Seltsamerweise geschieht genau das mit den Händen von Jesus. Sie werden zerbohrt, zerfetzt, zerrissen, festgenagelt. Ehe er starb, hat er geschrien. Er hatte Fragen, keine Predigt, keine Gleichnisse. “Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” Und darauf kam keine Antwort vom Himmel. Er schrie. Er schrie sich die Seele aus dem Leib. Schreie, die den Himmel zum Zerreißen bringen sollen. Er schreit und stirbt. Und im Tempel zerreißt es den Vorhang vor dem Allerheiligsten. Da reißt der kostbare Vorhang, auf dem Engel eingewebt waren, mitten entzwei. Den Himmel hat’s zerrissen.
Du fragst dich vielleicht zurecht: Wie kann das ein Trost sein? Das frage ich mich auch, denn meine Schmerzen schmerzen immer noch. Meine Wut ist noch da. Meine Risse bluten immer noch. Ich schreie immer noch. Und neuer Schmerz ist erst dazu gekommen. Wo ist da Gott? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass Gott zerfetzte Hände hat, dass er Schreie, die den Himmel und die Erde zerreißen sollen, kennt und mir dadurch zu einem verstehenden Gegenüber wird.
Ich bin mir bewusst, dass diese Worte ein lächerliches, unzureichendes Gestammel sind, dennoch wünsche ich dir, Sina, von Herzen alles Gute.
Anonyma
Nochmal ich. Schmerz ist immer eine sehr persönliche Sache – ich kann nur sagen, dass ich in meinem Leid (Depressionen, schwer kranke Tochter) ganz viel Nähe von Gott erfahren habe – aber gerade auch von meinen Geschwistern im Glauben! Denn die sind laut Paulus dafür da, dass sie den Trost, den sie empfangen haben, an andere weitergeben. Da sind wir teilweise ganz schwach drin. Aber wenn es geschieht – dann handelt Gott durch meinen Bruder oder meine Schwester im Glauben an mir.
Gott, ich weiß überhaupt nich, was ich dazu alles schreiben soll ?! auf jeden fall danke, dass ihr versucht mir eure Gründe dafür zu sagen, wieso gott für euch eine rolle spielt..
Ich bin zwar evangelisch ( ich war vorher nicht getauft aber mein opa war schwer krank und hat seinen letzten wunsch geäußert bevor er starb und hatt sich gewünscht, dass ich getauft werde.)
naja, jetzt bin ich evangelisch.. aber ich fühle mich keineswegs anders.. oder so was.. wisst ihr was ich meine??
ich hab noch nie eine form von gott bei mir gespürt..
ja, stimmt schon, ich kann mit meiner besten freundin über meine porobleme und vergangenheit reden..aber richtig helfen in dem sinne tut es nicht. ich hab es halt mal erzählt.. aber naja.. ich kann das voll schlecht beschreiben ..
auf jeden fall fühle ich mich von gott auch relativ im stich gelassen und frage mich halt, wenn es ihn gibt, was ich ihm getan habe, dass er mir damals nicht geholfen hat ?
naja, ändern kann man es nicht 🙁
aber vielen, vielen dank für die antworten..
war mal gut zu wissen, dass manche leute auch so denken, und dass andere leute wiederrum gott “gespürt” haben..
weil er uns einen freien willen gegeben hat…
Vielen Dank euch allen für die guten Kommentare! Ich freue mich, dass wir hier darüber reden können.
Vielen Dank auch für eure Offenheit, besonders dir, Sina. Ich kann das gut nachvollziehen, dass du dich nun (seit du getauft bist) nicht anders fühlst. Und ich hoffe wirklich, dass dir Gott noch so begegnen wird, dass du es “spürst”.
Ich versuche jetzt nicht selbst noch einmal, eine Antwort auf die Fragen zu geben. Das käme mir so vor, als ob ihr erstmal raten solltet und ich dann die “Lösung” verrate.
Aber ich würde mich freuen, wenn ihr weiter hier schreibt – auch sehr gerne eure eigenen Erfahrungen mit dem Thema.
Würde gerne etwas Hilfreiches schreiben… aber angesichts des konkreten Leids bleiben mir alle theologischen Richtigkeiten im Hals stecken. Letztendlich gibt es auch keine “Lösung”, höchstens Antwortversuche.
Ich lese zur Zeit Jesaja und dort wird immer wieder vom Zorn Gottes gesprochen. Ich glaube in ihm brodelt auch heute ein gewaltiger Zorn gegen das Leid, das wir Menschen uns gegenseitig zufügen. Aber zugleich ist er der Gott, der da am Kreuz einfach hängt, sich die Hände zerreißen lässt, der mitleidet, aber der scheinbar nichts tut! Warum greift er nicht ein? Warum “spüren” manche seine Gegenwart und manche nicht?
Mein einziger Trost ist, dass ich weiß, dass Gott größer ist als meine ganzen Fragen, mein Nichtverstehen, größer als meine Schmerzen und mein Verzweifeln.