Heute Bonhoeffer, morgen NPD

Heute Bonhoeffer:

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Foto: Bundesarchiv, Bild 183-R0211-316 / CC-BY-SA

Heute vor siebzig Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer hingerichtet.
Um 17:30 Uhr werde ich zur Enthüllung einer Gedenktafel an einem ehemaligen Wohnhaus Bonhoeffers in unserer Nachbarschaft gehen. Die Idee dazu entstand im Ökumenischen Arbeitskreis Prenzlauer Berg, zu dem ich auch gehöre. Katharina Jany vom Arbeitskreis schreibt dazu:

Die drei Monate, die Bonhoeffer hier gelebt hat, werfen ein besonderes Licht auf die Persönlichkeit dieses großen Kirchenmannes. Dass Bonhoeffer als Universitätsprofessor, die Arbeit mit den Konfirmanden aus dem einfachen Arbeitermilieu, für so wichtig hielt, dass er sich hier ein Zimmer mietete, zeugt von einem starken christlich motivierten Verantwortungsgefühl für die ihm anvertrauten Jugendlichen.

Bonhoeffer selbst schreibt über den Prenzlauer Berg und Mitte:

Das ist so ungefähr die tollste Gegend von Berlin mit den schwierigsten sozialen und politischen Verhältnissen

Anschließend wird Altbischof Wolfgang Huber einen Vortrag zum Thema »Du sollst nicht töten – Bonhoeffers Friedensethik heute« in der Zionskirche halten. Über das gleiche Thema schreibt heute auch sein Nachfolger Heinrich Bedford-Strom auf Zeit Online: Wer fromm ist, muss politisch sein

Morgen NPD:

Heute – 70 Jahre nach Bonhoeffers Tod  und auch nach Kriegsende – brennen in Deutschland (mal wieder) Flüchtlingsheime.

Und für morgen 19:00 Uhr ruft die NPD zu einer Kundgebung vor den Schönhauser Allee Arcaden unter dem Motto »Gentrifizierung stoppen – Mietwucher und Verdrängung stoppen!« auf und fordert offen einen »nationalen Sozialismus« als Alternative.

Da kann ich nur auf die Aufrufe der Antifa und der lokalen SPD zu Protesten gegen die öffentliche Werbung für den Nationalsozialismus hinweisen.
Und hoffen, dass die Erinnerung an Bonhoeffer nicht nur dem Reden und Gedenken dient, sondern Vielen auch Impulse zum Handeln gibt.

 

 

Dietrich Bonhoeffer – Abendgebet

Im Evangelischen Gesangbuch fanden wir dieses Abendgebet, das Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis schrieb. Wenn man es langsam spricht und immer wieder Pausen lässt, kann man dabei auf den vergangenen Tag zurückschauen und das Geschehende noch einmal vor Gott „in Gedanken aussprechen“.

Herr, mein Gott,

ich danke dir, dass du diesen Tag zu Ende gebracht hast.
Ich danke dir, dass du Leib und Seele zur Ruhe kommen lässt.

Deine Hand war über mir und hat mich behütet und bewahrt.

Vergib allen Kleinglauben und alles Unrecht dieses Tages
und hilf, dass ich allen vergebe, die mir Unrecht getan haben.

Lass mich in Frieden unter deinem Schutz schlafen
und bewahre mich vor den Anfechtungen der Finsternis.

Ich befehle dir die Meinen, ich befehle dir dieses Haus,
ich befehle dir meinen Leib und meine Seele.

Gott, dein heiliger Name sei gelobt.

Amen.

Dietrich Bonhoeffer: Wer bin ich?

Heute Vormittag habe ich am Ende meiner Predigt zum Thema „Welche Rolle spielt die Rolle?“ das Gedicht „Wer bin ich?“ von Dietrich Bonhoeffer (zu finden in „Widerstand und Ergebung„) vorgelesen.

Heute Nachmittag habe ich mir dann den Film „Bonhoeffer, Die letzte Stufe“ angeschaut, da wird das Gedicht auch zitiert.

Damit ihr auch diese weisen Worte genießen könnt, hier der Text:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
Wer bin ich? Der oder jener?

Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

(Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S. 179, online u.a. hier)