Christival: Proteste 03: Meine Gedanken

Problematisch finde ich verallgemeinernde Aussagen von beiden Seiten: Es sind weder die „Evangelikalen“, die alle miteinander bestimmte konservative Meinungen vertreten, noch sind alle Kritiker gewaltbereit, uninformiert und allgemein gegen den christlichen Glauben…. Eine Ausnahme, die mir positiv auffiel, fand ich überraschenderweise bei indymedia : „Viele der sogenannten Evangelikalen Christen, vertreten unter anderem die Auffassung, dass Homosexualität eine Krankheit sei und geheilt werden könne, dass Sex vor der Ehe sowie Selbstbefriedigung Sünde sei und das Abtreibung (auch nach einer Vergewaltigung) Mord sei, um nur einige Beispiele zu nennen.“

freiheitfuervielfalt.jpg

Noch ein paar unfertige Gedanken und Fragen zu den Protesten und der Kritik „von links“:

  • Die gute Stimmung der Christival-Teilnehmer wurde nicht von den Protesten gestört – das freut mich.
  • Trotzdem kam die Kritik bei einigen Leuten auch an. Ich habe auf jeden Fall mit ein paar Leuten über die inhaltlichen Punkte der Kritiker diskutiert.
  • Den Flyer „Die Bibel wörtlich nehmen?“ des Bündnisses „Freiheit für Vielfalt“ fand ich gut. Er enthält nur den Text des im Internet weit verbreiten „Briefs an Dr. Laura„. Jungen Erwachsenen (nicht unbedingt 14jährigen Teens) kann man zumuten, mal darüber nachzudenken.
  • Weniger gut finde ich, wenn Webseiten gehackt werden. Was bringen solche Aktionen?
  • Problematisch finde ich verallgemeinernde Aussagen von beiden Seiten: Es sind weder die »Evangelikalen«, die alle miteinander bestimmte konservative Meinungen vertreten, noch sind alle Kritiker gewaltbereit, uninformiert und allgemein gegen den christlichen Glauben. Nicht verallgemeinernde Aussagen findet man nur selten (weder bei den Frommen, noch bei den Kritikern, aber auch nur äußerst selten in den großen Medien). Eine Ausnahme, die mir positiv auffiel, fand ich überraschenderweise bei indymedia: „Viele der sogenannten Evangelikalen Christen, vertreten unter anderem die Auffassung, dass Homosexualität eine Krankheit sei und geheilt werden könne, dass Sex vor der Ehe sowie Selbstbefriedigung Sünde sei und das Abtreibung (auch nach einer Vergewaltigung) Mord sei, um nur einige Beispiele zu nennen.“ Schon so ein „viele der sogenannten“ macht solch einen Satz viel erträglicher. Wirklich differenzierte und gut recherchierte/informierte Berichterstattung habe ich bisher aber noch nicht entdeckt.
  • Schwierig finde ich auch (wieder von beiden Seiten), dass Abreibung und Homosexualität als entscheidende Wesensmerkmale der Frommen (Evangelikalen, Christen wie auch immer) dargestellt werden. So nach dem Motto: „Alle Evangelikalen sind doof, weil sie gegen Abtreibung und Homosexualität sind“ bzw. „Steht auf, wenn ihr Christen seid!“. Es geht im christlichen Glauben nicht um diese beiden Themen, sondern um Jesus, der bewegt.
  • Können wir nicht allmählich akzeptieren und auch öffentlich sagen, dass es auch unter den Evangelikalen (ich mag den Begriff eigentlich nicht, aber egal) Menschen mit unterschiedlichen Meinungen auch zu diesen zwei Themen gibt? Genauso wie es unterschiedliche Meinungen zu den eigentlich zentraleren Themen (auf jeden Fall wenn ich in die Bibel schaue) wie Abendmahl, Taufe, Bibelverständnis, Gemeindeverständnis etc. gibt.
  • Warum nehmen wir nicht die Kritik zum Anlass, uns ernsthaft und kontrovers mit diesen Themen noch einmal auseinanderzusetzen, ohne dass schon vorher das Ergebnis feststeht?
  • Hören wir überhaupt zu bei dem, was uns die Kritiker und allgemein die Menschen um uns herum sagen?
  • Hören die Kritiker den Kritisierten ernsthaft zu?
  • Wer setzt sich mit den wissenschaftlichen Studien, die die Gegenposition vertreten, auseinander, ohne dabei nur das Ziel zu verfolgen, sie zu widerlegen?
  • Was ist Toleranz? Und was ist mit der Meinungsfreiheit?
  • Was heißt „Freiheit für Vielfalt“?

Es gäbe sicherlich noch viel, dazu zu schreiben. Aber ich frage erst einmal euch: Was meint ihr dazu?


Nachtrag (2008-05-12):

Weitere Fragen wirft bei mir der Bericht eines Journalisten auf: Jesus vs. freie Berichterstattung
Entdeckt habe ich den Bericht in dem Artikel Das Wunder von Bremen des „Bremer Bureau für Kultur- und Religionsgeschichte“, die übrigens meinen Bericht über die Proteste am ersten Abend als „eine differenzierte Darstellung der Ereignisse bei dem Vordringen von Demonstranten auf das Gelände seitens eines Christival-Besuchers“ bezeichnen.


Alle meine Artikel über das Christival:
Gedanken zum Christival
Christival: Still & Chill Festival
Christival: Proteste 01: von links
Christival: Proteste 02: von rechts
Christival: Proteste 03: Meine Gedanken

Links zu Berichten woanders findet man beim CVJM Nürnberg.

8 Gedanken zu „Christival: Proteste 03: Meine Gedanken“

  1. mich beschäftigen auch einige Fragen zu dem Thema:

    – Kann man über dieses Thema überhaupt „sachlich“ diskutieren, oder müsste man es nicht viel mehr „persönlich“ tun? Immerhin ist das ganze Ding ja eine enorme Identifikationssache… Vielleicht kann man sachlich zu gar keinem Ergebnis kommen, weil es keine kühlen Köpfe dazu gibt (geben kann)…

    – Gibt es überhaupt „wissenschaftliche Studien, die die Gegenseite belegen“? Was kann ich machen, wenn diese „Studien“ sich einfach enorm widersprechen, oder wenn auf den ersten Blick zu erkennen ist, dass es nichts anderes als Beispiele sind, die die Ideologie dahinter stützen (sollen).

    – Kann es sein, dass das ganze Thema nur ein Kristallisationspunkt ist, an dem sich die Unterschiede von Gottesbild, Toleranz-Verständnis, Bibelverständnis, etc. zeigen?

  2. Zu den wissenschaftlichen Studien:

    „Wissenschaftlichkeit“ meint ja nicht „alle werden am Schluß der gleichen Meinung sein“. Studien sind nicht dann schon unwissenschaftlich, wenn sie zu verschiedenen Ergebnissen kommen.

    „Wissenschaftlichkeit“ bezeichnet zuerst einmal einen methodischen Ansatz, der Transparenz beinhaltet, Nachvollziehbarkeit und Offenheit.
    Es geht mehr darum, dass ich bei einer guten Studie nachvollziehen kann, wie der andere zu seiner Position gekommen ist, welche Schritte er dahin unternommen hat, welche Prämissen er dabei voraussetzt etc.
    Wenn das gegeben ist, kann ich schauen, an welchem Punkt in seinem Denkprozess ich seine Schlüsse nicht nachvollziehen kann, oder welche seiner Prämissen ich nicht teile etc.

    Grob gesagt: Das Ziel wissenschaftlicher Arbeit ist nicht zwangsläufig, dass am Ende alle der gleichen Meinung sind (auch wenn das im Idealfall tatsächlich passieren sollte), sondern ersteinmal ist es das Ziel, dass man nachvollziehbar und transparent miteinander reden kann.

    Von dieser Warte aus gesehen, ist „wissenschaftliches Arbeiten“, gut umgesetzt(!), der Anfang des Dialogs, oder es kann zumindest eine gute Hilfe sein, wenn man sich nicht einfach nur Dinge an den Kopf werfen will, ohne sich tatsächlich über das Thema zu unterhalten.
    In diesem Punkt bin ich immer noch ein klein wenig Wissenschafts-Optimistisch.

  3. Hallo Hufi,
    stimme mir dir größtenteils überein. Ein paar Anmerkungen:

    * Hmm also den „Brief an Dr. Laura“ find ich nicht besonders erhellend. Es gibt ja schließlich Gründe dafür, dass wir heute keine Schlachtopfer mehr bringen etc.
    * Homosexualität ist mir eigentlich auch ziemlich wurscht, es gibt wichtigere Themen. Abtreibung z.B. finde ich ein sehr wichtiges Thema! Ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, dass nur Christen gegen Abtreibung sind.
    * Wir können natürlich offen sagen, dass es unter Evangelikalen Meinungsunterschiede gibt. Die Frage ist nur, wer zuhört.
    * Toleranz heißt für mich zu akzeptieren, dass es Menschen mit anderer Meinung als meiner gibt, und diese Menschen deswegen nicht weniger wertzuschätzen. Und das ist oft nicht leicht.

  4. Vielen Dank schon einmal für eure Kommentare!

    @Markus:
    Ja, es ist definitiv ein Kristallisationspunkt, an dem sich so einiges zeigt.

    @Markus & kapeka:
    Von „Wissenschaftlichkeit“ und irgendwelchen Studien habe ich ehrlich gesagt gar keine Ahnung. Ich finde es nur merkwürdig, dass zum Thema Homosexualität beide Seiten von wissenschaftlich bewiesenen Tatsachen sprechen.

    @Senfkorn:
    – Der Brief entkräftet aber manche Argumente (sicherlich nicht alle) und hinterfragt unser teilweise zu „unkritisches“ Bibelzitate als Argumente heranziehen.
    – Ich finde auch, dass Abtreibung ein wichtiges Thema ist und bin froh über jede Abtreibung, die vermieden wird.
    – Es hätten sicherlich einige Medien zugehört, wenn Leute wie Parzany oder aus dem Christival- oder Allianz-Vorstand etwas in Richtung Meinungsverschiedenheiten gesagt hätten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert