Es gibt keine Gemeinde, die nicht von der Kultur bzw. Gesellschaft bzw. „Welt“ geprägt ist. Es gibt auch kein Glaube, der dies nicht ist. Die Frage ist nur, von welcher Kultur. Der (bzw. einer) heutigen oder einer vergangenen?
Wir denken oft, dass die gewohnten Gemeinde-, Denk- und Glaubensformen die einzig richtigen und auch die biblischen sind.
Warum eigentlich? Ein Großteil, der Dinge, die wir in Gemeinden tun (und auch denken) sind in den letzten 5 Jahrhunderten nach und nach entstanden bzw. entwickelt worden, manches sogar erst vor recht kurzer Zeit.
Ein schönes Beispiel ist die Kleidung von Diakonissen. Jeder kennt sie, schwarz/dunkelblau/grau und auf jeden Fall mit „Haube“. Daran können wir klar erkennen, das sie irgendwie „nicht von dieser Welt“ sind, etwas Besonderes. Aber warum tragen sie überhaupt diese Kleidung? Ganz klar – um auszusehen wie eine verheiratete Frau! Ja, wirklich. Im 19. Jahrhundert, als Diakonissen „erfunden“ wurden, bekamen sie die Tracht von verheirateten Frauen, damit sie als gleichwertig angesehen wurden (eine geniale Idee war das). Man hat sich also bewusst der Welt „angepasst“ und das auch eine Zeit lang durchgehalten, bis man irgendwann nicht mehr mit der Mode ging.
Genauso ist das mit vielen Dingen in unseren Gemeinden. Sie sind in einer bestimmten Kultur, einem bestimmten Kontext entstanden, die Kultur hat sich geändert. Und die Gemeinden?
Ist das denn schlimm, dass vieles, was wir tun und denken, gar nicht so „biblisch“ ist?
Nein, gar nicht. Die Bibel ist (im Gegensatz zum Koran) in einem sehr langen Zeitraum entstanden und schon innerhalb der Bibel entdecken wir viele verschiedene Kulturen und auch sehr unterschiedliche Weisen, wie man Glauben gelebt und gedacht hat. „Biblisch“ ist es also eigentlich gerade, wenn man Dinge immer wieder verändert und nicht bei einer Form stehen bleibt.
PS: Ich möchte mit diesem Post nichts gegen irgendwelche Formen sagen (und auf keinen Fall irgendwas gegen Diakonissen). Vieles ist gut und ist auch für viele Menschen das Richtige. Ich finde es nur sehr schwierig, bestimmte Formen oder Denkweisen als „heilig“ darzustellen und bei anderen die Anpassung an die Welt, die „Verweltlichung“ zu kritisieren.
wow!! ein echt hammer guter post!! ich bin beeindruckt!! 😀 so kurz und knapp und dann SO GUT auf den punkt gebracht! respekt, hufi!! 🙂 wird gleich verlinkt! :))
Danke, Ordi.
Ich habe einfach mal versucht, dass im Unterricht gehörte und auf Blogs gelesene mit meinen eigenen Gedanken gemischt kurz aufzuschreiben.
Ach so, ich habe versucht auf deinen Blog ein Kommentar zu schreiben, aber irgendwie hat er die Seite dann nicht gefunden.
ein weiteres gutes beispiel ist das der orgel. die wurde auch irgendwann (keine ahung wann das war) in den kirchen integriert, obwohl es ein jahrmarktsinstrument ist. quasi ein heidnisches instrument welches eigentlich gar nicht hineinpasste. heute stehen schlagzeuge in gottesdiensten, und auch da gab es ne menge leute die sich beschwert haben, wogegen die orgel nicht so richtig herauszudenken ist.
ein glück gibt es auch da weitere veränderungen, trotz leuten denen es nicht passt.
Ja. Der Eintrag ist super! Find ich auch. Ein bewegendes Thema.
Noch ein Beispiel für „Kultur“ statt „heilig-biblischem Zeux“ sind auch die moderne Lobpreismucke. Das Thema ist für uns m.E noch viel anstößiger. Weil wir dabei immer glauben, dass das unheimlich der Kultur-Norm der Welt entspricht. Tut es aber eigentlich nicht! Warum gibts so wenig Volksmusik-Lobpreis für Senioren? Oder noch schlimmer: Warum denken wir bei „inkultiviertem Lobpreis“ immer an Schlagzeug, Lothar Kosse, Matt Redman, etc? Ist das wirklich die Musik, die von der Welt gehört wird? Die meisten in unserer Gesellschaft würden sich sowas nicht kaufen.
Und für Jugendliche: Warum gibts kaum HipHop-Lobpreis? Was ist mit RnB,…? „Over the mountains and the sea“ ist davon so weit weg!
Auch ich möchte mich dem Lob deines Posts anschließen. Du hast gut gezeigt, wie sich Kultur weiterentwickelt und dass sie nicht statisch sonder sehr dynamisch, offen und veränderbar ist. Jedoch beschreibst du immer noch eine Trennung von Gemeinde und Kultur, indem Kultur Gemeinde von außen beeinflusse und sich Gemeinde bzw. der Glaube der Kultur und der Welt anpasse. Für mich ist Gemeinde und Glaube ein Teil von Kultur, die individuell und vielfältig gestaltet werden kann. Ich als Christ kann meine Kultur weiterentwickeln und mit anderen innerhalb und außerhalb der Gemeinde austauschen. So können wir uns nicht nur der Kultur anpassen, sondern sie selbst gestalten.
Ein Sebastian schrieb auf meinem alten Blog heute folgenden Kommentar zu diesen Post.
Ich kopiere ihn mal hierher, um hier weiter zu diskutieren:
Zitat: „Man hat sich also bewusst der Welt ‚angepasst‘ und das auch eine Zeit lang durchgehalten, bis man irgendwann nicht mehr mit der Mode ging.“
Also ist es dann besser („biblischer“), sich der heutigen Welt anzupassen als der damaligen? Ich habe den Eindruck, dein Artikel ist (wie so vieles von EC Befürwortern) eher ein „Vertagen“ der wirklich schwierigen Fragen in Bezug auf das Verhältnis Kirche zu Kultur als ein Beantworten. Es geht nicht darum, einfach zeitgemäßer als andere Christen zu sein, denn auch unser Zeitgeist ist nicht neutral oder problemfrei und kompatibel mit unserem Glauben. Wir bleiben halt „nicht von dieser Welt“, auch in der Postmoderne.
@Sebastian (siehe Kommentar hier drüber):
Was sind die „wirklich schwierigen Fragen in Bezug auf das Verhältnis Kirch zu Kultur“?
Ja, es geht nicht darum „zeitgemäßer als andere Christen zu sein“. Es geht darum, (meinen) Glauben heute zu leben und andere Menschen einzuladen.
Meine Aussage sollte nicht sein, dass das eine besser bzw. biblischer als das andere ist. Sondern: Glaube und Gemeinde sind immer durch Kultur, Gesellschaft und Zeit bedingt und verändert sich mit der Zeit. Das war auch schon zu biblischen Zeiten so und wird immer so bleiben. Und das ist nicht weiter schlimm, nicht besonders gut und auch nicht besonders schlecht. Es ist einfach eine Tatsache, mit der wir leben müssen und die uns bewusst sein sollte.
Ja, und wir bleiben halt „nicht von dieser Welt“ (aber in dieser Welt! – Stichwort: Inkarnation), auch in der Postmoderne.